Aufmacher_Prozess_OfG_murhej

Meine Abschlussarbeit in Fotografie an der OfG: „Collage“

OfG-Absolventin Amira Murhej hat sich in ihrer Abschlussarbeit für eine fesselnde Collage
entschieden. Bei dieser Arbeit ging es ihr darum, eine Ausdrucksform der Beziehung zwischen dem
Hellen und dem Dunklen fotografisch umzusetzen und zu zeigen, dass die eine Seite erst durch die
andere vorstellbar wird. Interessiert hat Amira die Vielfalt an kulturellen und künstlerischen
Zusammenhängen und Interpretationen, bei denen das Thema in Chiffren, als Metapher oder
Konzept in Erscheinung tritt.

Ein paar Fragen zum Einstieg:

Die Ideenfindung

Die Idee meiner Abschlussarbeit entstand aus der Kombination meines Interesses für eine künstlerisch-experimentelle Herangehensweise, für das gewählte Thema und das Material.

Dazu habe ich mir drei Fragen gestellt:

1. Was ist das Thema und was möchte ich erreichen?

Bei dieser Arbeit ging es mir darum, eine Ausdrucksform der Beziehung zwischen dem Hellen und dem Dunklen fotografisch umzusetzen und zu zeigen, dass die eine Seite erst durch die andere vorstellbar wird. Interessiert hat mich die Vielfalt an kulturellen und künstlerischen Zusammenhängen und Interpretationen, bei denen das Thema in Chiffren, als Metapher oder Konzept in Erscheinung tritt. Mein Anliegen war, ganz ohne Einschränkung eines spezifischen inhaltlichen Konzepts oder einer Wertung, eine dualistische Sicht beider Pole zu durchbrechen und Anregungen zum Assoziieren bereitzustellen.

2. Womit möchte ich arbeiten?

Das Material ist nichts Ungewöhnliches: Die Motive bestehen zu 100 % aus Pasta und Licht. Interessiert hat mich, ob es möglich ist, aus einem Objekt des Alltags, das sehr stark der Gewöhnung unterliegt, etwas in der Wirkung Neues entstehen zu lassen.

Beeindruckt haben mich Formenvielfalt und Materialbeschaffenheit (Halbtransparenz, strukturierte Oberflächen, Fragilität/ Brüchigkeit).

3. Wie könnte eine geeignete Umsetzung aussehen?

Meine Idee war, Eigenschaften des Dunklen und des Hellen durch den Einsatz von zwei
verschiedenen Herangehensweisen und Lichtsetups herauszuarbeiten, deren Wirkung sowohl in kontrastierender wie verbindender Beziehung zueinander steht.

Der Entstehungsprozess

Der künstlerische Prozess verläuft bei mir nicht nach einem linearen Schema ab. Häufig ist es notwendig, einen Schritt zurückzugehen, etwas zu verwerfen und Neues auszuprobieren. Aber einige Stationen sind sehr grundsätzlicher Natur:

1. Explorieren und experimentieren:

Zuerst nähere ich mich den Objekten und ihren Materialeigenschaften, indem ich ihre Möglichkeiten durch Ausprobieren verschiedener Lichtsituationen, Perspektiven oder Bildformate fotografisch kennenlerne.

2. Entwurf des Musters der Collage:

Wie kann ich mit den bisherigen Ergebnissen erreichen, dass die Bilder im Kontext der Collage miteinander interagieren bzw. in Form und Inhalt als Synthese wahrgenommen werden? Ich habe mich für ein Schachbrettmuster entschieden, um zunächst eine klare Einteilung zugrundezulegen.

3. Probeweise Platzierung einer Auswahl:

Schließen sich die Bilder aneinander an? Kontrastieren und verbinden sie sich wieder? Dominieren einige Partien zu stark?

4. Editing der Einzelfotos und Anpassung in der Collage:

Die Einzelfotos habe ich hinsichtlich einiger grundlegender Parameter editiert und störende Elemente entfernt (z.B. Reste des Knetradierens wegretuschiert, den ich zur Stabilisierung eingesetzt hatte).

Abschließend habe ich in der endgültigen Collage anhand des Überblicks nochmals leichte Anpassungen von Farbe und Helligkeit vorgenommen, damit sich eine stimmige Einheit ergibt.

Eine Herausforderung bei diesem Projekt war, dass viele Bilder der explorativen Phase durch Licht/ Farbe/ Aufbau sehr intensiv wirkten. Es entstanden ‚Bildindividuen', von denen jedes die volle Aufmerksamkeit beanspruchen wollte, sodass sie in einer Collage mehr gegeneinander arbeiteten als miteinander. Ein Foto kann als Einzelbild vielleicht ganz unspektakulär erscheinen, aber in Verbindung mit anderen einen wichtigen Platz einnehmen.

Aufbau der Collage und technische Durchführung

Mein Ziel war eine Passung von Inhalt, Form, Vorgehensweise und Technik. Die Collage lässt sich gut in drei Abschnitten erläutern. Um sowohl eine Kontrastierung als auch Auflösung von Gegensätzen zu erreichen, habe ich verschiedene Herangehensweisen und Lichtsetups für den dunklen und den hellen Pol gewählt sowie das mittlere Quadrat als zusätzliches Verbindungselement:

2_Skizze_Gesamtcollage_Amira_Murhej

1. Dunkles Setup mit hellen Elementen (Quadrate 2, 4, 6, 8)

Inspirationsquelle: Zu diesem Setup haben mich museale Präsentationen archäologischer Funde (z.B. Scherben von Gefäßen) und das Gestaltungsmittel des Chiaroscuro inspiriert. Mein Ziel war, das Objekt wie eine Skulptur zu fotografieren, indem ich durch Lichtführung die Form, Plastizität und Ästhetik des Objektes herausarbeite.

Technik:

3_oben_dunkles_Setup_Amira_Murhej

Um starke Kontraste und klare Schatten zu erzielen, habe ich ein gerichtetes Studiolicht (seitlich, leicht von oben, 5600K) mit Fresnel-Linse eingesetzt.

Bei diesem Schritt war es bereits notwendig, die Gesamtkomposition der Collage im Auge zu behalten. So flieht der Schatten auf dem Foto mit dem nachgestellten Setup stärker nach hinten als im Original, weil der Winkel zwischen Aufnahmerichtung und Lichtrichtung etwas kleiner ist. Solche Details nehmen kompositorisch Einfluss auf die Passung in der Collage.

4_unten_dunkles_Setup_Amira_Murhej

Zudem habe ich bei der Nachstellung das Setup beleuchtet, um es sichtbar zu machen. Eine möglichst abgedunkelte Umgebung ist jedoch entscheidend, um einen deutlichen Effekt zu erzielen. Dazu verwende ich bei kleineren Objekten ein portables Fotostudio/Mini-Studio: eine faltbare Box, in der sich die Lichtführung flexibel beeinflussen lässt, ohne dass man den gesamten Arbeitsraum abdunkeln/ einbeziehen muss. In diesem Fall wäre ein Aufbau mit schwarzem Karton jedoch auch eine gute Alternative gewesen.

2. Helles Setup und Mehrfachbelichtung (Quadrate 1, 3, 7, 9)

Inspirationsquelle war die Sonne, beispielsweise Bilder von Sonneneruptionen und Sonnenflecken wie diese Aufnahme durch das „Swedish Solar Telescope“ (Credit: Royal Swedish Academy of Sciences).

Eine meiner Umsetzungen:

7_unten_helles_Setup_Amira_Murhej

Inspiriert haben mich außerdem Kunstwerke unterschiedlicher gedanklicher Hintergründe, bei denen Naturmaterialien oder Naturphänomene die Schaffensbasis darstellten, z. B. der Einbezug des Lichts von Himmelskörpern in Arbeiten von James Turrell.

Ein wichtiges Beispiel sind auch die Werke von Andy Goldsworthy: seine Beschränkung auf wenige vorgefundene Materialien bei der Schaffung seiner Skulpturen und die Rückbezüglichkeit auf Formen, welche in der Natur unabhängig von menschlichen Einflüssen existieren. Was die Annäherung an Objekte betrifft, sehe ich u.a. Parallelen in dem Zulassen von Unbeeinflussbarem sowie dem Dialog mit dem Material.

Ein Unterschied liegt jedoch darin, dass ich das Medium ,Fotografie' nicht in erster Linie als Mittel zur Dokumentation eines bestehenden Kunstwerks eingesetzt habe. Stattdessen ist sie dadurch zu etwas künstlerisch Eigenständigem geworden, dass die ,Phänomene' in meinen Bilder ohne Kamera bzw. technische Hilfsmittel in dieser Weise nicht beobachtbar gewesen wären.

Eine interessante Frage war für mich auch, was geschieht, wenn ich versuche, im Studio die subjektive Wirkung von Naturphänomenen nachzuvollziehen.

Technik:

5_6_oben_helles_Setup_Amira_Murhej

Auch für dieses Setup war kein Gerätepark notwendig. Eingesetzt habe ich:

a) Durchlicht mittels einer Flächenleuchte (Kelvin regulierbar).

Das linke Bild zeigt das nachgestellte Setup. Den Teil der Flächenleuchte ohne Objekte hatte ich zum Schutz der Augen mit schwarzer Pappe abgedeckt, sodass ich nicht direkt in das Licht blicken musste.

In dem rechten Bild daneben sieht man, dass eine Abdunkelung der Umgebung (Ausschluss von Lichtquellen, welche die Oberfläche der Objekte beleuchtet) entscheidend ist: Zusätzlich zu dem Durchlicht habe ich zur Veranschaulichung ein Licht von oben gesetzt, das fast diagonal durch das Bild verläuft (die linke untere Ecke wird am stärksten beleuchtet). Auf der rechten Seite könnte man noch etwas Glühendes vermuten, nach links hin werden aus dem Objekt durch die weitere Lichtquelle bzw. fehlende Abdunkelung zunehmend vertraut erscheinende Lasagneblätter aus dem Supermarkt.

Obwohl weißes Licht objektiv energiereicher ist, habe ich aufgrund der Assoziation mit der Sonne für das Durchlicht eine gelbliche Farbtemperatur gewählt, um subjektiv den Eindruck Wärme und Energie zu wecken.

b) Mehrfachbelichtung aus drei oder mehr Bildern (z. B. zu einer Drehbewegung kombiniert).

Die Mehrfachbelichtung ermöglichte u. a., Bewegung anzudeuten und trotzdem eine gewisse Schärfe zu erhalten.

Hätte ich keinen Zugang zu einer Kamera mit Mehrfachbelichtungsoption gehabt, wäre ein anderer Weg gewesen, mehrere Bilder in einer Bildbearbeitungssoftware zu kombinieren. Ein Vorteil von Mehrfachbelichtungen via Kamera war für mich die unmittelbare Rückkopplung bzgl. der Komposition. Eine Verbindung beider Wege wäre natürlich ebenso denkbar.

3. Collage in der Collage: Fibonacci-Spirale in der Mitte

Bei dem mittigen Quadrat handelt es sich um eine achtfache Kachelung eines Elements in Form einer Fibonacci-Spirale mit leichtem, sich nach innen abdunkelndem Verlauf. Inspirationsquelle und Lichtsetzung entsprechen dem hellen Setup, auf eine Mehrbelichtung habe ich in diesem Fall verzichtet.

Die Spirale sehe ich als Verbindungsstück zwischen beiden Herangehensweisen: Es vereinigt Expressivität mit mathematischer Klarheit, Flächigkeit mit Tiefe. Die Form findet sich abgewandelt in Bildern beider Setups wieder.

Das Ergebnis

12_Ergebnis_Amira_Murhej

Fazit

Durch die vielfältigen Anregungen bin ich während der Ausbildung an der OfG auf zahlreiche neue Ideen gestoßen und habe die unterschiedlichsten Bereiche kennengelernt, darunter Settings und Themen, die zunächst einmal nicht unbedingt in meinem Fokus standen. Gleichzeitig konnte ich im Bereich Fotografie an Interessen anschließen, die für mich im künstlerischen Bereich schon sehr lange von Bedeutung waren.

Mein Stil ist detailliert und reduktiv zugleich. Global, als Ganzheit betrachtet, erscheinen meine Kompositionen in Bezug auf Formen, Mittel oder Objekte oft reduziert. In einer detailorientierten Wahrnehmung lässt sich hingegen eine Fülle an filigranen Strukturen entdecken. Ich interessiere mich für Kompositionen, die sich als Muster-, Formen- sowie Ebenenanordnungen lesen lassen und dabei ein Changieren zwischen Abstraktion und gegenständlichem Objekt, Flächigkeit und Tiefe, zwischen strenger Form und zufällig wirkenden Elementen an der Grenze zum Chaos ermöglichen. Bei meiner Abschlussarbeit habe ich entdeckt, dass gerade Collagen gut dazu geeignet sind, kompositorische Architekturen dieser Art aufzubauen.

Aktuell werde ich daran anknüpfen und mehrere künstlerische Fotoprojekte umsetzen, denen ich Zeit geben möchte, sich zu entwickeln und zu verändern.

Maren Wiebe (iPad)

Amira Murhej
OfG-Absolventin / Fotografie
vision9tiles@posteo.ch


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