Fotografie-Tutorial "Mit Licht experimentieren"

Fotografie-Tutorial: Mit Licht experimentieren

In diesem Auszug aus unserem staatlich zugelassenen Onlinekurs Fotografie geht es um Licht in all seinen Formen: das vorhandene Licht, natürlich oder künstlich und Licht im Studio.

Mit diesem Beitrag möchte ich Sie dazu inspirieren, einfach mal ganz unbefangen mit Licht zu experimentieren. Nicht jeder hat ein Studio oder professionelle Modelle zur Verfügung (dazu aber einige Tipps weiter unten). Das bedeutet aber nicht, dass man nicht trotzdem tolle Fotos machen und dabei viel über Licht lernen kann.

Vorbereitung

Ich habe eine Freundin (welche keinerlei Modell-Erfahrung hat) gebeten, sich von mir fotografieren zu lassen. Mein Mann musste als Assistent herhalten. Von einer befreundeten Fotografin habe ich mir eine Hintergrundhalterung geliehen und habe dann einen dunklen Molton-Hintergrund und verschiedene andere Stoffe benutzt, die ich zu Hause herumliegen habe. Im Großen und Ganzen wahrscheinlich eine ähnliche Situation, wie sie sich für viele von Ihnen darstellt.

▶ OfG-Tipp: Besonders wenn Sie noch ganz am Anfang der Fotografie stehen, kann es manchmal etwas abschreckend oder Respekt einflößend sein, mit zu viel technischem Zubehör zu arbeiten. Sie sind vielleicht noch dabei, Ihre Kamera besser kennenzulernen, und sollen dann bereits Studiolicht einsetzen. Das ist unter Umständen etwas zu schnell und zu viel am Anfang. Daher ist ein spielerischer Start mit etwas mehr Leichtigkeit zu empfehlen, um anfängliche Scheu zu überwinden, und dabei mehr Sicherheit zu erlangen.

Ein Blick hinter die Kulissen. Wenn man keine Hintergrundhalterung hat, kann man auch rechts und links einen Haken in der Wand anbringen und eine starke Wäscheleine spannen und die Stoffe daran befestigen. Improvisation ist ein wichtiger Bestandteil der Kreativität.

Zuerst ein Blick hinter die Kulissen: Wenn man keine Hintergrundhalterung hat, kann man auch rechts und links einen Haken in der Wand anbringen und eine starke Wäscheleine spannen und die Stoffe daran befestigen. Improvisation ist ein wichtiger Bestandteil der Kreativität.

▶ OfG-Tipp: Es ist ein Trugschluss, dass eine riesige Ausrüstung immer zu besseren Ergebnissen führt. Schauen Sie mal, welche Lichtquellen Sie im Haus haben, oder was Sie sich von jemandem leihen könnten. Taschenlampen, Stehlampen, LED-Leuchten, Lichterketten, Kerzen. Ich habe eine Lichterkette, eine Taschenlampe, einen Reflektor und eine Videolampe, die Falcon Eyes SO-68TDX II benutzt. Die Falcon Eyes SO-68TDX II ist eine LED-Studiolampe, die man auch draußen mit Akkus benutzen kann. Sie eignet sich besonders gut für Videos, aber auch für Fotos (besonders Porträts), wenn man nicht mit Blitz arbeiten möchte. Es gibt davon verschiedene Größen und Ausführungen. Meine hat 68 Watt, ist stufenlos dimmbar und man kann eine Farbtemperatur von 3000 bis 5600 Kelvin wählen. Das erstreckt sich von Warmweiß, über Neutralweiß, bis hin zu Kaltweiß.

Und los geht´s!

Meine Lampe steht rechts, ungefähr 2 Meter entfernt und ist etwas höher als das Modell. Von links vorn wurde mit einem gold-silber Reflektor etwas Licht in die dunklere Gesichtshälfte gespiegelt. Ich wollte einen sanften Verlauf des Lichts erreichen. Die Farbtemperatur ist im Neutralweiß-Bereich, weil ich den Farbton von Haut und Haaren möglichst natürlich darstellen wollte. Auf der rechten Seite habe ich eine Haarsträhne einen Schatten werfen lassen, weil es natürlich und verspielt wirkt und zur gewünschten Gesamtausstrahlung des Bildes passt. Dabei muss man genau aufpassen, wo der Schatten verläuft.

Dieses Porträt eignet sich auch wunderbar für ein Porträt in s/w, weil die Kontraste gut sind.

▶ OfG-Tipp: Der helle Farbton der Haut hebt sich gut von den Haaren, T-Shirt und Hintergrund ab. Gleichzeitig heben sich auch die Haare vom Hintergrund und T-Shirt ab. Würde das Modell ein helleres T-Shirt tragen, würde es bereits nicht mehr funktionieren. Darauf gehen wir im Modul über Schwarz-Weiß-Fotografie noch intensiver ein.

Kleine Veränderungen = große Wirkung

Jetzt habe ich nur kleine Veränderungen vorgenommen und habe trotzdem ein ganz anderes Bild. Es gibt keine Aufhellung von links, daher ist die linke Gesichtshälfte dunkler, was etwas mehr Dramatik erzeugt. Zudem bin ich etwas näher herangegangen, was ein stärkeres Gefühl von Nähe erzeugt. Die Brennweite ist dieselbe: 75 mm.

Und ich habe das Modell gebeten, über etwas nachzudenken, das ihr Sorgen bereitet. Bereits mit diesen minimalen Veränderungen kann man eine vollkommen andere Stimmung erzeugen.

▶ Merke: Das verdeutlicht auch hervorragend, wie viel Einfluss die Person hinter der Kamera hat, wie subjektiv Fotografie ist. Sie ist kein Abbild der Realität, sondern unsere Interpretation der Realität.

 

Ausprobieren

Das Hauptlicht kommt bei beiden Bildern von links, leicht höher als das Gesicht. Da das Modell direkt ins Licht schaut, wird die uns zugewandte Gesichtshälfte relativ gleichmäßig ausgeleuchtet. Nur die Nase und das Kinn werfen leichte Schatten.

Im zweiten Bild hat das Modell leicht das Gesicht gedreht in Richtung Kamera. Durch diese winzige Veränderung entstehen wesentliche stärkere Kontraste im Gesicht, weil nun Teile der uns zugewandten Gesichtshälfte weniger Licht bekommen und Schatten stärker werden. Besonders deutlich wird das an der Nase, Schläfe und Wange. Die Ausstrahlung des Modells ändert sich. Im linken Bild wirkt sie weicher, im rechten Bild mehr wie ein Mensch, der weiß, was er will. Ich habe im rechten Bild noch einen Lichtakzent auf die Haare gesetzt, um auch dort etwas mehr Lebendigkeit zu haben. Benutzt wurde eine ganz normale LED-Taschenlampe.

Das „Marlene-Dietrich-Licht“

Das Marlene Dietrich Licht haben Sie ja bereits im Kurs kennengelernt. Anhand dieses Beispieles kann man nun ausgezeichnet erkennen, wie die Gesichtsform die Wirkung einer bestimmten Lichtsetzung beeinflusst. Marlene Dietrich hat eine ausgeprägte Augenbrauenpartie, eine feine scharfkantige Nase und starke Wangenknochen. Diese Charakteristika beeinflussen den Schattenwurf und ergeben ein wunderbares Ergebnis für das Gesicht von Marlene Dietrich.

Mein Modell hat auch ausgeprägte Augenbrauen und der Schatten in dem Bereich wirkt wunderschön, wie ein leichter Lidschatten. Die Nase ist nicht ganz so fein, daher ist der Schatten dort bereits ein leicht anderer Schmetterling, aber immer noch gut. Der große Unterschied liegt bei den Wangenknochen, Wangen und Kinn. Das Gesicht ist runder und voller. Daher werfen die Wangenknochen keine Schatten, die wie Rouge aussehen und der Schatten der Kinnpartie ist zu groß und ausgeprägt. Das ist nicht so ideal. Man könnte versuchen, ganz dezent, mit einem kleinen partiellen Aufheller, Licht dorthin zu reflektieren. Sie könnte aber auch einen dunklen Rolli tragen, der den Schatten verschlucken würde.

▶ Merke: Die Gesichtsform beeinflusst die Wirkung des Lichts.

Bewegung

Dann kann man das Modell auch mal darum bitten, sich vor der Kamera etwas zu bewegen und dann einfach mal schauen, was dabei entsteht.

Das Licht habe ich dafür relativ neutral gesetzt, damit keine extremen Schatten auftreten. Neutral bedeutet hier, dass die Lampe relativ frontal (leicht rechts, leicht oben) auf das Gesicht scheint und das Gesicht regelmäßig ausleuchtet, mit einem sehr dezenten Schattenwurf nach links, dies erkennt man gut entlang der Nase.

 

Weiter experimentieren!

Jetzt mal eher experimentell, mit einer Lichterkette als Lichtquelle. Die Lichterkette nur in den Haaren zu haben, ließ das Gesicht zu dunkel erscheinen, daher hält mein Assistent den Rest der Lichterkette direkt über den Kopf. Der Hintergrundstoff enthält reflektierende Teilchen, daher funkelt es dort leicht. Googeln Sie mal die Mona Lisa von Leonardo da Vinci. Der Blick, das Licht und die Gesichtsform ähneln sich sehr. Ein reiner Zufall, der mir erst bei der Nachbearbeitung auffiel.

Fazit:

Bereits mit wenigen Lichtquellen lassen sich unendlich viele Stimmungen und Bildaussagen erzeugen. Oft muss sich nur ein Detail in der Inszenierung ändern und man erzählt bereits eine andere Geschichte.

▶ OfG-Tipp: Machen Sie Fotos vom Aufbau und am besten auch noch Notizen. Und versuchen Sie die Anzahl der Fotos zu beschränken, so als würden Sie auf Film fotografieren. Das hilft Ihnen dabei, sich beim Fotografieren zu fokussieren und im Nachhinein, sich erinnern zu können, was Sie wie gemacht haben.

▶ OfG-Tipp: In vielen Städten kann man Studios mieten. Wenn Sie gerne mal professionelle Studiolampen ausprobieren möchten, ohne sich gleich selber alles anzuschaffen, dann ist das eine echte Möglichkeit. Es gibt auch Ausleihmöglichkeiten. Da können Sie sich die gewünschten Lampen ausleihen und zu Hause benutzen. Das gilt natürlich auch für Kameras und Objektive.

Wenn sich niemand in Ihrem Umfeld fotografieren lassen möchte, dann können Sie über bestimmte Plattformen oder soziale Medien, Menschen finden, die sich im Tausch für einige schöne Bilder, fotografieren lassen. Da sollten Sie dann einen Vertrag aufsetzen, der die Bedingungen klar umreißt, damit es später nicht zu Missverständnissen kommt.

OfG Dozent Dozentin Claudia Wiens, Fotografie

Ihre Claudia Wiens
Dozentin für Fotografie

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